Seit meiner Jugend bin ich ein Verehrer von Albert Schweitzer. Damals, zu DDR-Zeiten faszinierte mich die Art seines Denkens und Handelns, weil es der von den herrschenden Ideologen verkündeten „wissenschaftlichen Weltanschauung“ widersprach. Nach dieser sozialistischen Lehre sollte das Christentum wegen seiner Weltfremdheit auf Zukunft hin absterben. Schweitzer nun bekannte sich als Christ, und er war zugleich Wissenschaftler, sogar in universaler Breite, und den Nöten der Welt zugewandt wie kaum ein anderer Mensch. Das alles gab mir, der ich mich als Christ in der Minderheit befand, Trost und Hoffnung.
Geboren am 14. Januar 1875 im damals zu Deutschland gehörenden Elsaß, studierte Albert Schweitzer Philosophie und Theologie in Straßburg. Der Promotion über die Philosophie Immanuel Kants folgte eine theologische Lizentiatsarbeit über die „Leben-Jesu-Forschung“.
Aber damit nicht genug: Während er schon als Privatdozent und Pfarrvikar arbeitete, vertiefte er sein Orgelspiel bei Charles Marie Widor in Paris und beschäftigte sich mit musikwissenschaftlichen Fragen. Daraus entstand ein umfangreiches Buch über Johann Sebastian Bach und eine Schrift über den modernen Orgelbau.
Man könnte meinen, daß diese akademische Existenz für ein ganzes Leben ausreichen würde. Aber nein: Im Jahre 1905 begann Schweitzer ein berufsbegleitendes Studium der Medizin, mit dem Ziel, als Missionsarzt nach Afrika zu gehen. Im März 1913 tat er dies dann wirklich, und so kennen ihn die meisten Leute auch: als „Urwalddoktor“, der in Äquatorialafrika, in Lambarene im Staate Gabun, erfolgreich gegen Lepra und Schlafkrankheit gekämpft hat.
Wie sich das Leben von Albert Schweitzer gestaltete, hat er in mehreren autobiographischen Schriften beschrieben. Am wohl bekanntesten ist das Buch „Aus meinem Leben und Denken“ von 1931. Immer und immer wieder betonte er in diesen Selbstdarstellungen, daß ihm die Gestalt Jesu Christi und der Glaube an die Wirksamkeit der Gottes- und Nächstenliebe Richtschnur für sein ganzes Leben gewesen sei. Diese existentielle Mitte faßte er in dem Begriff „Ehrfurcht vor dem Leben“ zusammen. Er fand dieses Motto anno 1915 bei einer Fahrt auf dem Ogowe-Fluß.
Als Schweitzer am 4. September 1965 starb, war er ein weltberühmter Mann und wurde von vielen Menschen verehrt.
Ich habe in meinem Leben etliche Menschen kennengelernt, die es (so wie Schweitzer) verstanden haben, die Liebe zu Gott und die Liebe zur Welt konstruktiv zu verbinden. Von daher meine ich, daß es sich auch heute noch lohnt, die geistigen und geistlichen Impulse zu überdenken, die Albert Schweitzer uns hinterlassen hat.
Eberhard Thieme