Franz Fühmann gehörte zu den profiliertesten Schriftstellern in der DDR. Vor 100 Jahren, am 15. Januar 1922, wurde er im damaligen Böhmen geboren. Verstorben ist er relativ früh, mit nur 62 Jahren, in Ost-Berlin.
Große Romane hat Fühmann nicht geschrieben, dafür aber überaus spannende Erzählungen und Essays zu gesellschaftlichen wie auch philosophischen Themen. Bereits in seinen frühen Werken spielen die griechischen Mythen eine wichtige Rolle – später dann auch die Geschichten der Bibel, was sich in seinem Essay „Meine Bibel; Erfahrungen“ (von 1982) widerspiegelt.
Sein eigentliches Schlüsselwerk stellt jedoch das Tagebuch seiner Ungarn-Reise im Oktober 1971 dar. Es wurde unter dem Titel “22 Tage oder die Hälfte des Lebens“ veröffentlicht. Wer die Lektüre dieser geballten Notizen auf sich nimmt, erfährt ein wenig davon, was sich im Denken und Fühlen dieses Schriftstellers ereignet hat: In allen biographischen Wandlungen die ehrliche Suche nach der Wahrheit. Aus dem hitlerbegeisterten Soldaten wurde der im sowjetischen Umschulungslager geläuterte Edelkommunist. Aus dem wohlwollend-kritischen Begleiter der sozialistischen Entwicklung wurde der wegen politischer Diktatur und geistiger Unterdrückung tief enttäuscht in eine Lebenskrise Geratene. Und schließlich: Aus dem in Depression Verharrenden wurde der in weitem Horizont Fragende.
Von der Ordensfrau Edith Stein stammt das Wort: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott – ob es ihm klar ist oder nicht“. Für Franz Fühmann trifft dies unbedingt zu, Seine Literatur hatte damals – zu Zeiten der DDR – etwas geradezu Prophetisches. Aber auch in den Unsicherheiten der jetzigen Zeit können die Werke Fühmanns etwas vom Geheimnis menschlicher Existenz vermitteln.
Eberhard Thieme CO