„Madame Butterfly“ – damals und heute

Bild: Madame Butterfly, Programmheft – Anfang

Nein, es war nicht alles schlecht in der DDR. Zum Beispiel gab es da ein sehr preiswertes Theateranrecht für Schüler, durch das man alle Spielstätten in Leipzig kennenlernen konnte.

Auf diese Weise habe ich im Opernhaus zweimal „Madame Butterfly“ gesehen: Einmal in der 10. Klasse, und dann (in der neuen Anrechtsreihe) als Berufsschüler. Diese Doppelung hat mich nicht gestört; im Gegenteil hat sie dazu beigetragen, daß ich die Opernmusik von Giacomo Puccini liebgewonnen habe.

Nach über 50 Jahre war es mir nun kürzlich wieder einmal vergönnt, die Oper „Madame Butterfly“ zu erleben. Diesmal nicht in Leipzig, sondern in der Berliner Staatsoper. Das Besondere an dieser Inszenierung war die Tatsache, daß die Premiere bereits im April 1991 stattfand (und ich somit der 122. Aufführung beiwohnte).

Verändert hatte sich seitdem natürlich die Riege der Sänger. Wenn man dann aber die Fotos im Programmheft sieht, muß man annehmen, daß die jetzige Aufführung insgesamt der Premierenfassung treu geblieben ist.

Das Bühnenbild atmet noch den Geist der gesellschaftlichen Umbruchszeit, d.h. es ist sehr schlicht gehalten, ohne jegliche spektakulären Effekte. Aber genau das hat mir gefallen; denn dadurch konnte die Musik erst richtig zur Geltung kommen.

Bild: Madame Butterfly, Programmheft – Schluss

Wenn ich mich recht erinnere, wurde „Madame Butterfly“ damals im Leipziger Opernhaus in deutscher Sprache interpretiert. Jetzt, in Berlin, wurde die Oper in der Originalsprache, also auf Italienisch, gesungen. Das ist der Musik auf jeden Fall gut bekommen. Allerdings habe ich mich mehrfach dabei ertappt, daß ich ungebührlich lange auf die eingeblendeten deutschen Übersetzungstexte schaute, so daß mir möglicherweise vom Darstellerischen her Einiges verlorenging.

Den großen Monolog der „Butterfly“ Cio-Cio-San im 2. Akt jedoch habe ich voll genießen können. Die polnische Sopranistin Aleksandra Kurzak leistete darin Erstaunliches und Ergreifendes.

Die Opern Puccinis haben – so wie viele Werke der Musik – etwas Zeitlos-Gültiges. Dies einmal ganz konkret zu erleben (wie damals und jetzt bei „Madame Butterfly“), stimmt mich froh und dankbar.

 

Eberhard Thieme