Nun gut, gänzlich unbekannt waren die beiden Komponisten, deren Werke am Sonntagabend des 11. Februar im Gewandhaus erklangen, nicht.
Von der früh verstorbenen Französin Lili Boulanger (1893-1918) und dem ebenfalls aus Frankreich stammenden Gabriel Fauré (1845-1924) konnte man schon viele schöne Sachen im Radio hören. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man Musik aus den Medien empfängt oder sie unmittelbar erlebt.
Das ausführende Ensemble (Tristan Thery – Violine, Chaim Steller – Viola, Moritz Klauk – Violoncello, Vita Kan – Klavier) agierte unter keinem Namen. Die Künstler waren aber (mit Ausnahme der Pianistin) alle Mitglieder des Gewandhausorchesters, und man konnte dank ihres fulminanten Zusammenspiels den Eindruck gewinnen, daß sie schon des öfteren miteinander musiziert haben. Tatsächlich haben sie die tief berührende Musik meisterhaft interpretiert.
Die Programmfolge hatte etwas Faszinierendes: Vor und nach der Pause standen sich jeweils ein relativ kurzes Klaviertrio von Boulanger und ein Klavierquartett von Fauré gegenüber – eine Gleichung im Gleichklang gewissermaßen. Dieser Programmaufbau könnte davon inspiriert sein, daß Lili Boulanger meist paarweise komponiert hat. So auch hier: Kurz vor ihrem Tod entstanden die beiden Trios „D’un soir triste“ und „“D’un matin de printemps“. Denen wurden nun die beiden Klavierquartette Faurés zugeordnet, und auch da gibt es eine überraschende Parallele. Das 1. Klavierquartett schrieb Fauré zu einer Zeit, in der er schweren Liebeskummer litt; dem entspricht Boulangers „Trauriger Abend“. Das 2. Klavierquartett hingegen entstand zu einer Zeit, in der Fauré bereits ein anerkannter Komponist war. Das wurde mit Boulangers „Frühlingsmorgen“ kombiniert. Ein doppelter Gleichklang also.
Den Anlaß für dieses Konzert bildete der 100. Todestag von Gabriel Fauré. Der wird zwar erst am 4. November begangen; doch Fauré und seine jüngere Kollegin Lili Boulanger sind es wert, ein ganzes Jahr über gefeiert zu werden.
Eberhard Thieme