Drama über einen DDR-Ingenieur, der von der Härte des Systems getroffen wird – bis 3.10. in der 3sat-Mediathek

„Nahschuss“ ist aus meiner Sicht einer der schonungslosesten und realistischsten Film zum vergangenen DDR-System. Nach so fröhlichen „Good by Lenin“- und „Sonnenallee“ – Filmen und selbst nach dem Stasi-Epos „Das Leben der Anderen“, zeigt „Nahschuss“ eindrücklich, was die DDR war: ein totalitärer Staat.
Und in einem totalitären Staat geht es nicht um Recht und Gesetz – nicht mal um Gesetze dieses Staates. Nein, es geht um den Willen eines Einzelnen oder einer kleinen Gruppe.
Im Film wird ziemlich deutlich – wenn auch nicht explizit – dass es der Wille von Erich Mielke (DDR-Staatssicherheitschef) war, Werner Treske – alias Franz Walter (hervorragendes Psychogramm durch Lars Eidinger) – zum Tode zu verurteilen.
Gerade in kleinen Nebenszenen – wie einer möglichen Operation der Mutter, die bei einer Verweigerung auf einer vollkommen anderen Ebene dann leider unmöglich ist. Oder in einem anderen Fall bei einer verweigerten Abtreibung – gelingt der Regisseurin Franziska Stünkel deutlich zu machen, dass ein totalitärer Staat überall totalitär ist.
Das alles quasi als Kammerspiel und auf spannende Spionagethriller-Effekte hat die Regie verzichtet. Die Bilder sind immer brauntönig und düster, auch schon am Anfang – da schien bei den Haupt-Protagonisten die Welt ja noch in Ordnung.
Der Film ist schon eine Zumutung und man muss sich zwingen hinzuschauen; das ist bei diesem Thema aber notwendig – denn an keiner Stelle des Films sollte der Eindruck eines Wohlfühlfilmes entstehen.
„Nahschuss“ scheint wichtig in einer Zeit, in der totalitäre Strukturen sich in Russland, Weißrussland oder China aber auch in West-Ländern „breit“ machen.
Thomas Bohne
PRODUKTION: Deutschland 2020
REGIE: Franziska Stünkel
MIT: Lars Eidinger (Franz Walter) · Devid Striesow (Dirk Hartmann) · Luise Heyer (Corina Walter)
LÄNGE: 116 Minuten
bis 3.10.2025 in der 3sat-Mediathek
