25 Jahre ist es nun her, dass die große Öffentlichkeit in Deutschland von der Harry-Potter-Sage Kenntnis bekam und ein bis dahin nicht dagewesenes öffentliches Interesse an Kinder-Literatur und vielleicht überhaupt an Literatur begann.
Nach meiner Erinnerung begann das im Frühjahr des Jahres 2000 mit einem Artikel des Wochenmagazins „Der Spiegel“, der auf das große Interesse dieser Saga in Großbritannien hinwies und dort auf die hohen Verkaufszahlen der Bücher aufmerksam machte. In diesem Artikel wurde auch davon berichtet, dass vor allem Kinder über die sozialen Netzwerke sich anfangs über die Harry-Potter-Bücher verständigt haben. Was wiederum das öffentliche Interesse „anstachelte“. In Deutschland wird „Harry Potter“ über den Carlsen-Verlag aus Hamburg vertrieben, der schon sehr zeitig die deutschen Rechte dafür erwarb.

Im Jahre 2000, also vor 25 Jahren, waren dann vier Bände auf dem deutschen Markt. Und zum Jahresende reagierte am Samstag vor dem 1. Advent, das war der 2. Dezember 2000, der mitteldeutsche Radio-Sender „MDR-Kultur“ mit der vollständigen Lesung des ersten Buches „Harry Potter und der Stein der Weisen“ auf den Harry-Potter-Boom. Das war zu hören von 13 bis 23 Uhr, nur von den Nachrichten stündlich unterbrochen – gelesen durch den bekannten Sprecher und Schauspieler Rufus Beck.
Diskussionen, ob es sich hier um Literatur oder vielleicht sogar um Weltliteratur handelt, schlossen sich in den folgenden Wochen an. Unbestritten war aber bei allen Kommentaren zum literarischen Gehalt der Harry-Potter-Saga die Feststellung, dass noch nie so viele Kinder – also im Lesealter ab zirka 7 Jahren – „gelesen“ haben.
Ich selbst war damals Religionslehrer in einer 3./4. Klasse – die Kinder waren zwischen 10-11 Jahre, also im beginnenden Harry-Potter-Alter – und ich konnte bei diesen 21 Kindern feststellen, dass alle (bis auf ein Kind!) bereits irgendein Harry-Potter-Buch gelesen hatten, vier Kinder aus dieser Runde hatten sogar alle bis dahin erschienen vier Bände gelesen, das waren etwa 2000 Buchseiten!
Was ist nun der Grund für dieses Phänomen „Harry Potter“ – eine klare Antwort ist nicht möglich. Aus meiner Sicht gibt es eine Anziehungskraft für Kinder daher, dass es sich um einen groß angelegten Schulroman handelt – denn jeder Band behandelt ein Schuljahr an der Schule für „Hexerei und Zauberei“ in dem magischen Ort Hogwarts. Auf diesem Schul-Hintergrund“ wird mit großer Fabulierlust und Fantasie Schulalltag an dieser Zauberschule beschrieben, beispielsweise dass „das Zaubern in den Pausen auf den Schul-Korridoren verboten ist“.
Auch die Lehrerschaft von Hogwarts besteht aus meist liebenswerten, teilweise auch recht schrulligen Typen – vergleichbar mit den Lehrer-Typen der allseits bekannten „Feuerzangenbowle“ von Heinrich Spoerl. Die „Quelle“ für diese Harry-Potter-Saga ist einmal die griechische Sagenwelt, andererseits die Bibel und dann Fabel- und Sagenwesen aus der europäischen „Welt“, besonders dem nordischen Raum.
Die Autorin J.K. Rowling hat Altertum-Wissenschaft studiert – man sagt, sie könne sogar fließend hebräisch und alt-griechisch lesen. Übrigens: Neben den zahlreichen Übersetzungen der Harry-Potter-Bücher gibt es sogar eine in Latein und Alt-Griechisch.
Weiterhin sind wichtige „Quellen“ für diese englische Erzählerin am Ende des 20. und dem beginnenden 21. Jahrhunderts englischen Autoren, vor allem des 20. Jahrhunderts: Gilbert Keith Chesterton (Pater Brown), C. S. Lewis (Die Chroniken von Narnia) und J.R.R. Tolkien (Herr der Ringe).
Alle diese englischen Autoren waren bekennende Christen – J.K. Rowling dagegen nicht. Doch religiös, teilweise sogar erstaunlich tiefsitzend religiös, sind die Harry- Potter-Bücher schon. Es lohnt für den gläubigen Menschen, sich mit den Harry Potter Büchern zu befassen. Mancher religiösen Frage kann man damit „nachgehen“.
Allerdings sollte ich mich als Leserin oder Leser nicht daran stören, dass es sich bei den handelnden Personen meist um Hexen und Zauberer handelt – von denen es in diesem Harry-Potter-Kosmos gute und schlechte gibt, sehr vergleichbar bei uns Menschen (die heißen bei „Harry Potter“ Muggel, „nicht magisches Volk“). Unübersehbar beziehen die Harry-Potter-Bücher klar Position gegen Rassismus und Ausgrenzung von Schwachen und propagieren Kameradschaft und Verantwortungsbewusstsein für die Gemeinschaft – ethisch wertvoller geht’s fast nicht mehr!
Thomas Bohne