Bild-Betrachtung zu einem Weihnachtslied – gedichtet unmittelbar nach dem 30-ig-jährigen Krieg

1. Ich steh an deiner Krippen hier,
O Jesu, du mein Leben;
Ich komme, bring und schencke dir,
Was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Hertz, Seel und Muth, nimm alles hin
Und laß dirs wol gefallen.

2. Da ich noch nicht geboren war,
Da bist du mir geboren
Und hast mich dir zu gut gar
Zu einem Kind erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
Da hast du schon bey dir bedacht,
Wie du mein wolltest werden.

3. Ich lag in tieffer Todesnacht,
Du warest meine Sonne,
Die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
Des Glaubens in mir zugericht,
Wie schön sind deine Strahlen!

4.Ich sehe dich mit Freuden an
Und kan mich nicht satt sehen;
Und weil ich nun nichts weiter kan,
Bleib ich anbetend stehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär
Und meine Seel ein weites Meer.

PAUL GERHARDT (1653)

 

Bild: Weihnachtskrippe im Leipziger Oratorium