Fast ein Heimspiel – Konzert in der Berliner Philharmonie

Bild: Programmheft Berliner Philharmonie

Kurz vor Weihnachten, am Vorabend des 3. Advents, erfüllte sich für mich ein Traum: Ich erlebte ein Sinfoniekonzert in der legendären Berliner Philharmonie.

Überraschend war dabei nicht nur das beeindruckende Ambiente des mittlerweile historischen Gebäudes, sondern auch die Tatsache, daß ich gleich in dreifacher Weise auf Leipzig rückverwiesen wurde. Zum einen stand am Pult der Berliner Philharmoniker der Chefdirigent des Gewandhausorchesters Andris Nelsons, zum zweiten trat die Violonistin Baiba Skride auf, die ich schon in mehreren Gewandhauskonzerten erleben konnte, und zum dritten ertönte ein Werk von Sofia Gubaidulina, die in der vorigen Saison als „Gewandhauskomponistin“ fungierte.

Bild: Programmheft mit Sofia Gubaidulina

Vielleicht nicht ganz so überraschend, wohl aber bemerkenswert war die Programmfolge: Statt kleiner Stücke zu Beginn, erklang zunächst die 4. Sinfonie von Beethoven, und erst nach der Pause folgten zwei relativ kurze Werke: ein Violinkonzert von Sofia Gubaidulina und die Sinfonische Dichtung „Don Juan“ von Richard Strauss.

Natürlich zeigten die Berliner Künstler auch bei den Werken von Beethoven und Strauss ihr ganzes Können. Den Höhepunkt allerdings bildete das 3. Violinkonzert „Ich und Du“ der russisch-tatarischen Komponistin Sofia Gubaidulina. Das lag nicht nur an dem meisterhaften Spiel von Baiba Skride, sondern auch und vor allem an der inhaltlichen Tiefe des Musikstücks. Wie der Titel schon vermuten läßt, bezieht sich Gubaidulina auf den jüdischen Philosophen Martin Buber, und dieser Dialog zwischen Ich und Du (der den Dialog mit Gott einschließt) spiegelt sich dann im Zusammen- und Gegenspiel von Solistin und Orchester.

Ahnen konnte man es: Sofia Gubaidulina ist eine gläubige Künstlerin. Als orthodoxe Christin waren ihre Werke im kommunistischen Rußland offiziell nicht gefragt. Doch jetzt – im hohen Alter von 92 Jahren – ist sie weltweit als Komponistin anerkannt. „Während ich komponiere“, so sagte sie einmal, „bete ich, nein, eigentlich spreche ich mit Gott“.

Wahre Kunst und wahre Religion widersprechen sich nicht, sondern sind aufeinander bezogen: Dies in Berlin und seiner Philharmonie zu erleben, war für mich eine große Freude.

Eberhard Thieme