Kammerkonzert am 19. Oktober im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses
Während ihres Aufenthaltes in Leipzig wohnte die englische Komponistin Ethel Smyth (1858-1944) in der Salomonstraße 19. Davon zeugt inzwischen auch eine schöne Gedenktafel – schräg gegenüber von unserem Oratorium. Verständlich also, daß wir Oratorianer besonders sensibel geworden sind für weithin benachteiligte und vielfach vergessene Künstlerinnen.
Auch das Trio Orelon (Gewinner des internationalen Kammermusikwettbewerbs in Graz 2022) hat sich dem Anliegen verschrieben, vergessene Komponistinnen bekannt zu machen.
Unter dem Titel „Beethovens Töchter“ gestaltete das Trio (mit Judith Stapf (Violine), Arnau Rovira i Bascompte (Violoncello) und Marco Sanna (Klavier)) am 19. Oktober im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses ein Kammerkonzert mit Werken von Beethoven und einigen jüngeren Komponistinnen.
„Töchter“ von Beethoven sind sie alle nicht – weder biologisch noch stilistisch. Indirekt stimmt es aber doch. Denn wer von den Jüngeren kommt schon an Beethoven vorbei?? Selbst der große Brahms mußte sich jahrelang an ihm abarbeiten.
Unter den aufgeführten Komponistinnen war Ethel Smyth nicht vertreten. Aus einem einfachen Grund: Sie hat nur ein Trio für Violine, Oboe und Klavier geschrieben, nicht aber für eine klassische Besetzung.Daf
ür konnten die anderen Frauen umso mehr zur Geltung kommen: die Amerikanerin Amy Beach (1867-1944) mit ihrem spätromantischen Sound, in dem unterschwellig ihre Heimat zu erkennen war, und die Französin Louise Farrenc (1804-1875) mit ihrem romantischen Impetus, der mich sehr an Robert Schumann erinnerte. Und das alles wunderbar verschränkt mit der Musik Beethovens.
Die Krönung des Abends war für mich die Zugabe: ein Satz aus einem Trio von Lili Boulanger (1893-1918). Klassische Moderne vom Feinsten! Was hätte aus dieser Komponistin noch werden können, wenn sie nicht so früh an der Spanischen Grippe hätte sterben müssen?!
Jedenfalls dürfen sie nicht vergessen werden – die oft zu Unrecht vernachlässigten komponierenden Frauen.
Eberhard Thieme