In unserem „Gotteslob“, befindet sich ein modernes Lied: „Vertraut den neuen Wegen“ (Nr. 807). Es stammt von dem Theologen Klaus-Peter Hertzsch (1930-2015). Hertzsch war Professor an der Universität Jena und ist vor allem durch seine poetischen Bibelübertragungen bekannt geworden.
Die erste Strophe des Liedes lautet:
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.
Klaus-Peter Hertzsch schrieb dies im Jahre 1989, und so liegt der Gedanke nahe, daß er mit diesem Text auf die politischen Umbrüche in Deutschland reagiert hat. Tatsächlich aber entstand das Lied bereits im Sommer 1989 – nicht für die Allgemeinheit, sondern anläßlich einer Trauung in seiner Familie.
Heute können wir das Lied natürlich doppelt deuten: Einerseits als Ermutigung für Menschen, die sich persönlich aneinander gebunden haben; andererseits aber auch als Hoffnungszeichen für eine demokratische Gesellschaft. Ob privat oder in der Öffentlichkeit: Wir Menschen sind Pilger zum „gelobten Land“.
Wo aber liegt das „gelobte Land“? Darauf antwortet die zweite Strophe:
Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit.
Gott will, daß ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.
Das „gelobte Land“ beginnt also hier auf der Erde. Und Gott selbst ist es, der unserem Leben Sinn und Richtung verleiht.
Woher aber wissen wir, daß der Weg, den wir gehen, der gottgewollte ist? Könnte der Weg nicht auch in die Irre führen?
Wer solche Zweifel hegt, wird in der dritten Strophe zu gläubigem Vertrauen ermutigt:
Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt.
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.
Gott ist der Alles-Umfassende. So wie er uns einst ins Leben gerufen hat, so wie er uns beim „Wandern in die Zeit“ begleiten will, so kommt er uns auch aus der Zukunft entgegen.
Werden wir das „gelobte Land“ erreichen? Im Vertrauen auf Gott dürfen wir diese Hoffnung haben. Selbst dann, wenn der Tod unsere Zeit auf der Erde beendet, sind wir aufgehoben in der „Ewigkeit“ Gottes.
Seit der Entstehung dieses Liedes sind inzwischen 35 Jahre vergangen, und von der Begeisterung des 1989er Herbstes ist nicht mehr viel zu spüren. Übermächtig wirken die aktuellen Probleme in der Welt, in Europa, ja selbst in Deutschland. Resignation macht sich allenthalben breit In dieser Situation zeigt sich, wie aktuell das Lied von Klaus-Peter Hertzsch immer noch ist. Singen wir es in unseren Gottesdiensten (oder auch anderswo) als ein Zeichen der Ermutigung. Denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Eberhard Thieme.