Im heutigen Iran ist der Ehemann einer jetzt alleinerziehenden Mutter Mina Babak hingerichtet worden. Ein Jahr später stellt sich seine Unschuld heraus, woraufhin der Staat zu Entschädigungszahlungen bereit ist, was der Ehefrau allerdings nicht reicht. Sie will, dass der verantwortliche Richter zur Rechenschaft gezogen wird und sich auch entschuldigt. Und wie das Leben spielt, begegnet dieser Richter dann auch der zunächst ahnungslosen Mina. Daraus wird dann immer mehr eine Freundschaft, sogar eine Liebesgeschichte deutet sich an. Die spannende Frage, was macht die Frau, wenn sie die Wahrheit erfährt.
Das ist nun die Ausgangssituation dieses iranischen Spielfilmes BALLADE VON DER WEISSEN KUH, der bei der letzten Berlinale im Wettbewerb lief. Ein Film, der ein ähnliches Thema anschneidet, wie der Preisträger-Film der Berlinale 2020 „Doch das Böse gibt es nicht“ (Filmtipp, Kompass, 11-2020), welcher auch aus dem Iran kam. Und auch da ging es um die Todesstrafe. Das beschäftigt nicht nur die Kunst, denn Menschenrechtsaktivisten betonen immer wieder, dass es im Iran neben China die meisten Hinrichtungen gibt. Und so kreist dieses Thema auch immer wieder durch die BALLADE VON DER WEISSEN KUH.
Ja, die Todesstrafe sei ein Menschenrecht.
Diesen Satz kann man im Film sogar hören.
Der ganze Film wirkt eher ruhig und unaufgeregt – das bedeutet allerdings nicht, dass er nicht spannend wäre. Als Zuschauer will ich doch wissen was passiert, wenn die berühmte Bombe platzt. Das erfährt man allerdings erst ganz am Schluss.
Vorher präsentiert das Regie-Duo Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha neben viel Ruhe im Film auch sehr eindringliche Scope-Bilder. Manchmal scheint es sich um Beichtsituationen zu handeln. Da steht Mina hinter einer Tür und hört auf der anderen Seite der Wohnungstür das Schuldbekenntnis einer anderen Frau.
Ja, es geht um Schuld und es geht um die Frage, wie ich mit Schuld umgehe. Gemeint ist dabei der schuldig gewordene, aber auch diejenige, welche großes Unrecht erleiden musste.
Da geht es dann nicht nur um spezielle Fragen im heutigen Iran. Es geht um ganz normale zwischenmenschliche Schuld-Situationen – das betrifft dann quasi jeden.
Die BALLADE VON DER WEISSEN KUH ist dann letztlich eine Art Meditation zum Schuld-und-Sühne-Verhalten von Jedermann.
Das lohnt nun aus meiner Sicht gerade im großen Kino, denn da kommen die eindringlichen Bilder auf großer Leinwand erst Recht zu ihrer Wirkung.
Und manches Bild wirkt lange nach, beispielsweise eine weiße Kuh, die fast regungslos in einem mysteriös anmutenden Hof steht. Es geht wohl hier um die zweite Sure aus dem Koran, die sogenannte „Sure der Kuh“, um Reaktionen auf Schuld und schuldhaftes Verhalten.
So fremd mir diese Umwelt auf den ersten Blick im heutigen Iran auch erscheinen mag, so zwingt mich dieser Film zum Nachdenken über meinen persönlichen Umgang mit Schuld und Sühne.
Wir sollten uns darauf einlassen.
Thomas Bohne
Die Ballade von der weissen Kuh
Drama, Frankreich, Iran 2021
Kinostart: 3. Februar 2022