1684? Es ist das Todesjahr des Komponisten Johann Rosenmüller. Der Chef des Gewandhauschores, Gregor Meyer, gründete – zusammen mit einigen Musikern – im Herbst 2014 das „Ensemble 1684“, um das wenig bekannte Werk Rosenmüllers einzustudieren und aufzuführen. Seither sind zehn erfolgreiche Jahre vergangen: Ein Grund zum Feiern. Die Künstler, unter Leitung von Gregor Meyer an der Continuo-Orgel, taten es mit einem Jubiläumskonzert am Sonntag, 24. November, in der Heilandskirche zu Leipzig-Plagwitz.
Bevor die Werke von Johann Rosenmüller erklangen, berichtete Prof. Peter Wollny, der Direktor des Leipziger Bach-Archivs, Einiges über das Leben jenes außergewöhnlichen Komponisten.
Geboren 1619 in Oelsnitz/Vogtland, studierte er in Leipzig zunächst Theologie, wurde dann aber wegen seiner musikalischen Begabung zu Kantoratsdiensten an die Thomasschule berufen. Er galt sogar schon als Thomaskantor in spe. Doch im Jahre 1655 verließ er Leipzig und ging nach Venedig, wo er über 20 Jahre als Musiker wirkte. In dieser Zeit konnte er sich in die Madrigaltechnik des Frühbarocks einarbeiten, und es entstanden großartige Werke, von denen wir einige im Jubiläumskonzert hörten. Anno 1682 kehrte er nach Deutschland zurück. Er fand eine Anstellung als Hofkapellmeister in Wolfenbüttel und verbrachte dort die letzten zwei Jahre seines Lebens.
Im Konzert erklangen drei große Psalmvertonungen und vier kleinere Werke. Zwei der Psalmen übernahm Rosenmüller aus dem Lateinischen (Ps 110: „Dixit dominus“ und Ps 122: „Laetatus sum“). Diese beiden Psalmen hatte bereits Claudio Monteverdi (1567-1643) in seine „Marienvesper“ (1610) eingefügt. Im Vergleich damit wirkten Rosenmüllers Vertonungen zwar ebenso stimmgewaltig, für mich aber schon etwas „aus der Zeit gefallen“ (um nicht zu sagen: epigonenhaft).
Ganz anders erging es mir bei den Stücken in deutscher Sprache. Hier überwog nicht das Pompöse, sondern das Spirituelle. Im Gegensatz zu Heinrich Schütz (1585-1672), der ebenfalls in Venedig die frühbarocke Musik studierte, sind Rosenmüllers deutsche Motetten alles andere als protestantisch-zahm, sondern von einer Vitalität, die die menschlichen Gefühle mit dem christlichen Glauben zusammenbringt.
So ging mir die Motette „Fürchte dich nicht“ (Jes 43,1-3) besonders nahe. Aus dem anfänglich zögerlichen Ruf einer Männerstimme („Fürchte dich nicht“) entwickelte sich über die Jesaja-Worte eine Glaubensgewissheit, die am Schluss den Ruf mehrfach mit allen Stimmen verkündete.
Und die den Ostertexten entlehnte Motette „Bleibe bei uns“ lenkte am Ende des Kirchenjahres noch einmal den Gedanken vom Tod auf das ewige Leben.
Über die Qualität der Aufführung muss ich keine Worte verlieren; denn dort, wo Gregor Meyer etwas einstudiert, entsteht Tiefes und Spirituelles. Ein Glücksfall für Leipzig!
Eberhard Thieme