Passionsspiele 2022(2020) in Oberammergau – ein Fest des gelebten Glaubens

Passionsspiele in Oberammergau, aller zehn Jahre finden sie statt. Diesmal 2022, weil im Jahr 2020 Corona begann. Verrückt, wegen einer Seuche, und zwar wegen der Pest (wesentlich tödlicher als Corona) wurden die Spiele begründet: 1634 fanden die ersten statt. Denn die Bewohne des Ortes Oberammergau leisteten damals einen Schwur: aller 10 Jahre das Spiel „vom Leiden und Sterben unseres Erlösers und Heilands Jesus Christus“ aufzuführen. Später wurde als Aufführungsjahr das volle Jahr, also immer ein Jahr mit der berühmten „Null“ festgelegt.

Die Spiele waren Jahrhunderte lang ohne die Katholische Kirche nicht zu denken. Mönche und Priester schrieben Texte, die Kirche gab ihre Genehmigung durch die „missio canonica“.

Allerdings entschied immer der Gemeinderat des Ortes: Besetzung, Textfassung und Spielleitung.
Das war manchmal auch das Problem, denn als die Katholische Kirche auf dem II. Vatikanum in den 60-iger Jahren erklärte, dass die Juden keine Schuld am Tod Jesu tragen, entschied der Gemeinderat von Oberammergau immer noch über eine Textfassung mit stark antisemitischen Akzenten. Das änderte sich dann erst durch engen Kontakt mit jüdischen Organisationen.

Bild: Festspielhaus Oberammergau

Jetzt, 2022, gibt es eine Textfassung in der nichts mehr an Antijudaismus erinnert. Im Gegenteil, die jetzige Textfassung betont das Jude-Sein Jesu, lässt ihn sogar die berühmten Einsetzungsworte beim Abendmahl hebräisch sprechen.

Das ist irre! Denn plötzlich erscheint die Jesus-Geschichte vor einem völlig neuen Horizont, annehmbar auch über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg.

Oberammergau, die Passionsspiele, das muss man immer wieder betonen ist immer noch Laientheater – und das mit einer bemerkenswerten Professionalität. Ja, in Oberammergau wird man praktische in die Tradition der Passionsspiele hineingeboren.

Das geht so weit, dass der Ort Musikausbildung schon fast großflächig anbietet, was bei der dargebotenen Musik auch notwendig scheint. Denn die Musik erinnert an Oratorien der Bach- und Romantik-Zeit, enthält anspruchsvolle Solo- und Chor-Parts und verlangt auch von dem Laien-Chor ein hohes Niveau.

Bild: Tafeln mit der Aufschrift: „Leidenschaft Leben“

Denn noch immer gilt in Oberammergau: Nur wer aus Oberammergau stammt, mindestens 20 Jahre dort gelebt hat, darf mitspielen – neuerdings nicht nur Christinnen und Christen der großen Kirchen, auch Muslime dürfen mitmachen.
Interessant sind auch die Beobachtungen am Rande, jenseits der großen Festspielbühne.

Da bietet der Pfarrverband Oberammergau ein kirchliches Begleitprogramm an: „Leidenschaft Leben“ – das ist im ganzen Ort zu sehen. Dann liest man auf Tafeln: „Ich bin so frei“, „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, „Angst durchleben“ oder „Fürchte Dich nicht“. Da wird auf die Kernfragen des christlichen Glaubens gezielt, nahezu im Vorübergehen.

Oberammergau, sein Passionsspiel wird so auch zu einem Glaubensangebot für jedermann und davon zeugt nicht nur ein „Kummerkasten“ in den ich so manche und manchen Zettel hineinwerfen sah.

Thomas Bohne