Drei Werke für Cello und Klavier von drei genialen Komponisten, entstanden zwischen dem 21. und 28. Lebensjahr, geschrieben und aufgeführt in Moskau: Das erwartete uns am 17. November im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses. Wir hörten die Ballade op. 15 von Sergej Prokowjew (1891-1953), die 1. Sonate op. 21 von Mieczyslaw Weinberg (1919-1996) und die Sonate op. 19 von Sergej Rachmaninoff (1873-1943).
Den Interpreten (Christian Giger/Violoncello und Dasol Kim/Klavier) wurde dabei das Äußerste an Virtuosität abverlangt. Daß sie dem gerecht wurden, zeigte der tosende Beifall der Zuhörer am Schluß. Die Künstler bedankten sich dafür mit Rachmaninoffs Vocalise, einem zarten spätromantischen Stück.
Um die dargebotenen Werke besser zu verstehen, ist es sicher hilfreich, etwas über die Lebensumstände der Komponisten zu erfahren.
Prokowjew und Rachmaninoff schrieben die obigen Stücke noch im zaristischen Rußland, wo es ihnen relativ gut ging. Erst in den Wirren der kommunistischen Revolution verließen sie ihre Heimat. Prokowjew trieb das Heimweh 1936 wieder zurück; Rachmaninoff blieb für immer im Exil.
Hingegen war das Leben von Mieczyslaw Weinberg von Jugend auf von vielen Schicksalsschlägen durchzogen. Als Jude im polnischen Warschau aufgewachsen, konnte er dort aber nicht sein Musikstudium beenden, sondern mußte vor der herannahenden deutschen Armee flüchten – zuerst nach Minsk, dann weiter nach Taschkent. Dort erfuhr er, daß seine ganze Familie in Polen umgekommen war. So wurde die Musik zum wichtigsten Motiv für das eigene Überleben. Nachdem Schostakowitsch auf Weinbergs 1. Sinfonie aufmerksam wurde, bewog er den Komponisten anno 1943, nach Moskau überzusiedeln, woraus eine lebenslange Freundschaft entstand. Weinberg schrieb um 1945 eine Menge kammermusikalischer Werke, u.a. auch jene 1. Cellosonate op. 21. Leider wurde ihm seine jüdische Herkunft weiterhin zum Verhängnis; erst in den 60er Jahren erfuhr er die nötige Anerkennung als Komponist.
Dies mag auch der Grund dafür sein, daß Weinberg im Ausland weithin unbekannt blieb. Erfreulicherweise hat sein 100. Geburtstag im Dezember 2019 dazu beigetragen, daß seine Kompositionen immer einmal wieder in deutschen Konzertsälen auftauchen. In dem von uns gehörten Kammerkonzert nahm er jedenfalls einen würdigen Platz zwischen Prokowjew und Rachmaninoff ein.
Eberhard Thieme