Sonntags um 18 Uhr ist das Wochenende fast vorüber; doch bevor am Montag wieder der Alltag beginnt, möchte mancher vielleicht gern noch einen kulturellen „Happen“ zu sich nehmen. Dafür eignet sich sehr das Kammerkonzert im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses: Zwei Stunden erlesene klassische Musik zu erschwinglichen Preisen.
Am Sonntag, 20. November, erfreute uns das „Leipziger Streichquartett“ mit einigen Werken der Romantik. Um ehrlich zu sein: Ich bin kein Fan von romantischer Kammermusik. Doch wenn sie derart virtuos dargeboten wird wie von den Leipziger Künstlern, kann man nur den Hut ziehen. Dank ihrer Interpretation kamen musikalische Effekte zum Ausdruck, die mir vermutlich sonst verborgen geblieben wären. Außerdem sorgte die großartige Akustik des Mendelssohn-Saales für echten Kunstgenuß.
Zur Aufführung gelangten vor der Pause zwei Streichquartette – von Niels Wilhelm Gade (1817-1890) und Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847). Beide Komponisten wirkten als Dirigenten des Leipziger Gewandhausorchesters. Leider allerdings nur kurz: Mendelssohn starb sehr früh, und Gade mußte 1848 wegen des preußisch-dänischen Krieges in seine Heimat Dänemark zurückflüchten. Geblieben ist ihre schöne Musik, die in Leipzig sicherlich nicht in Vergessenheit geraten wird.
Die Überraschung des Abends bildeten nach der Pause zwei Werke von Joachim Raff (1822-1882). Überraschung deshalb, weil mir der Name Raff zwar bekannt war, ich seine Musik aber noch nie bewußt gehört hatte. In beiden Stücken reichte das eine Streichquartett nicht aus: Im ersten Werk trat das Klavier hinzu (Fantasie g-Moll op. 207b), und im zweiten ein weiteres Streichquartett (Oktett C-Dur op. 176). Auch hier: Virtuoseste Gestaltung aller Einzelteile.
Wollte man dem Konzertabend eine Überschrift geben, könnte man vielleicht sagen: Zwei Gewandhausdirigenten gratulieren ihrem Komponisten-Kollegen nachträglich zum 150. Geburtstag.
Eberhard Thieme