Gewandhaus am 4. Mai 2023 – Begegnung mit einem unbekannten Dirigenten

Für das „Große Konzert“ am 4. Mai im Gewandhaus hatte ich mir eine Karte besorgt, weil ich gern einmal wieder eine meiner Lieblingssinfonien, die 4. Sinfonie von Johannes Brahms (1833-1897) hören wollte.

Vor der Pause sollte noch ein zweites großes sinfonisches Werk erklingen: „Die Seejungfrau – Fantasie für Orchester“ von Alexander Zemlinsky (1871-1942), einem nicht sehr bekannten Komponisten, dessen Werke aber erfreulicherweise immer öfter in den Konzertsälen zu hören sind. Zemlinsky gehörte neben Gustav Mahler und Arnold Schönberg zu jenen Komponisten, die am Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien den Übergang von der Spätromantik zur Moderne vollzogen – jeder auf seine Weise.

 

Bild: Gewandhaus am Abend

Als Dirigent des Abends wurde ein mir bis dahin noch ziemlich Unbekannter angekündigt: Klaus Mäkelä. In irgendeiner Zeitschrift hatte ich gelesen, daß es sich bei dem 27jährigen Finnen um ein „Ausnahmetalent“ handeln solle; aber solch großes Wort muß erst einmal eingelöst werden.

Um es gleich zu sagen: Klaus Mäkelä hat es eingelöst. Am Dirigentenpult stand ein junger Mann, der einerseits im Überschwang der Jugend mit vollem Körpereinsatz agierte, der zugleich aber die nötige Sensibilität für musikalische Details aufbrachte. Unter seiner Stabführung gelangten die beiden sinfonischen Werke zu künstlerischem Glanz.

Dem Dirigenten Klaus Mäkelä wird vermutlich eine steile Karriere beschieden sein. Bereits jetzt arbeitet er mit namhaften Orchestern zusammen, und im Jahre 2027 soll er Chefdirigent des Concertgebouworkest Amsterdam werden. Es bleibt ihm zu wünschen, daß er sich dann auch jene jugendliche Frische erhalten kann, die am Abend des 4. Mai die Zuhörer im Gewandhaussaal so sehr begeisterte.

 

Eberhard Thieme