Biblische Betrachtung – angeregt von Joh 6,52: : Da stritten sich …

Predigt am 8. Juni 2023 beim Fronleichnamsgottesdienst im Leipziger Hauptbahnhof
Von Pfarrer Thomas Bohne vom Oratorium Leipzig („Lese-Fassung“, etwas ergänzt)

Liebe Gemeinde, hier auf dem Hauptbahnhof und alle, die sie jetzt vorbeikommen oder vielleicht sogar zuhören.
Ja, wir feiern diesen Gottesdienst in einer besonderen Situation. Kein schützender Kirchenraum. Da gäbe es die Möglichkeit von Zwischenrufen, einfach so beim Vorbeigehen. Eine Situation, die uns gerade im aktuellen Evangelien-Text begegnet ist:

Joh 6,52 (Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben.)

Jesus wiegelt da nicht ab, oder überhört das. Nein, er ist offen – hört zu, geht drauf ein, argumentiert. Jesus hört quasi die Zwischenrufe. Heute vernehme ich auch so manchen Zwischenruf.

Beispielsweise, wir Oratorianer betreiben seit einiger Zeit einen Video-Kanal auf dem wir regelmäßig unsere Sonntagsgottesdienste übertragen. (vgl. Youtube, Oratorium des Hl. Philipp Neri – Leipzig Mitte)

„Kirche muss zahlen“, war da als Kommentar unter einem der Gottesdienste zu lesen. Wir hatten überlegt, das rauszunehmen – aber dann bliebs doch drin. Warum so einen Kommentar und Zwischenruf während der Missbrauchskrise nicht drin lassen. Zu lange wurden solche Zwischenrufe überhört und ausgeblendet.

Und jetzt ein weiterer Zwischenruf: So habe ich jetzt in unserer Kirchenzeitung eine Ankündigung gelesen: Ein Seminar mit dem Titel „Frau – die andere Seite der Menschheit (TdH, 4. Juni 2023, Nr. 22, S. 13, Filmbesinnungstage) Auch ein Zwischenruf, der gerade in unserer Katholischen Kirche lange nicht ernst genommen wurde. Nun steht er in der Kirchenzeitung und ist Thema eines kirchlichen Seminars. Diese Menschheit hat doch zwei Seiten, eine weibliche und eine männliche. Und unser Herr Jesus Christus hat doch beide Seiten erlöst und auch beide Seiten durch die Taufe beauftragt.

Noch ein Zwischenruf innerhalb der Kirchenpresse. In der aktuellen Ausgabe von Christ in der Gegenwart (CiG) las ich unter der Überschrift „Mario Adorfs Glaubensbekenntnis“, dass dieser bekannte deutsche Schauspieler kein überzeugter Nichtgläubiger eher ein verhinderter Gläubiger ist. Er war in einem Waisenhaus mit „bösen Nonnen und einem oft betrunkenem Priester“ (CiG, 24/2023,, Mario Adorfs Glaubensbekenntnis, S.5) Kirche, Kirchenmitglieder als Verhinderer von Glauben und jetzt benennen es Kirchenmitglieder öffentlich.

Bild: Thomas Bohne CO bei der Predigt, im Hintergrund: Eberhard Thieme CO

Und nun dieses Fest, das wir heute feiern, ohne uns Priester wäre dieses Fest nicht möglich, gäbe es diesen lebendigen Leib in der Gestalt von Brot und Wein nicht. Fronleichnam ohne Priester nicht vorstellbar!

Aber das Priester-Sein ist in dieser Zeit angefragt, wie seit Jahrzehnten nicht. „Eigentlich sind wir Priester inzwischen der letzte Dreck“, hat mir mal ein Kollege sehr verbittert gesagt. Ganz so sarkastisch möchte ich das nicht formulieren.

Thomas Frings, Priester und Buchautor, schrieb kürzlich, dass der Priesterstand zur Zeit seiner Priesterweihe in den 80igern geachtet war und ein hohes Ranking in der Reihe der geachteten Berufe hatte, heute kommt der Priesterberuf in dieser Liste überhaupt nicht mehr vor. Und Thomas Frings schreibt dann weiter, dass er heute einem jungen Mann gar nicht mehr den Rat geben würde, den Priesterberuf zu ergreifen (vgl. CiG, 7/2023, Vom Segen, Zeit für andere zu haben, S.6)

Und dann, was hinter diesem Fronleichnamsfest steckt: Letztlich der gemarterte und blutüberströmte Leib dieses Jesus aus Nazareth – nach der Marter und Tortur lebendig und angebetet. Und es steckt auch ein Tier-Opfer, ein Tortur für Lämmer dahinter – das Blut der geschlachteten Lämmer als Schutzzeichen und Befreiung für das Volk Israel, nachzulesen im 2. Buch der Bibel im Buch Exodus, später Bild-Beispiel für Christus das Opferlamm. Auch da gibt es inzwischen einen Zwischenruf: Vegane Bibel, anfangs habe ich gelacht – inzwischen lache ich da nicht mehr. Diese Bibel will Mitgefühl mit der Schöpfung und mit jeder Kreatur wecken. (vgl. Der Sonntag, 22/2023, Vegane Bibel ohne Tieropfer, S. 12)

Ja, es ruft, wackelt und zischt an allen Ecken und Enden. Aber: vielleicht ist es der Herr selbst, der da zischt und zwischenruft. Denn dieses Zischen und Zwischenrufen, von dem wir gerade gehört haben, kommt ja aus dem Raum von Kirche selbst, alles von innen heraus. Eine Kirchenimplosion quasi. Und wenn es da wackelt und überall brüchig wird, vielleicht will ER mit seiner Kraft und Strahl-Macht einfach nur durchbrechen – wir sollten zumindest damit rechnen.

AMEN.