Sicherlich, es gab auch in diesem Jahr wieder ausverkaufte Vorstellungengen – wie beispielsweise REBELLINNEN, aber nicht im riesengroßen Cinestar 8, sondern im eher beschaulichen Cinestar 2. Und auch ein Mini-Saal wie Regina 5 mit 50 Sitzplätzen war nicht voll besetzt.
Man sei auf einem guten Weg, was die Zuschauerzahlen betrifft, hieß es dann vom Leiter Christoph Terhechte während des Festivals. Die Kulturkritik war schon mal begeistert über den Eröffnungsfilm „No Dogs or Italiens Allowed“, diesem Lob schließe ich mich als Rezensent aus dem Leipziger Oratorium an, auch wenn da Kirche und kirchliche Vertreter recht schablonenhaft quasi durch den berühmten „Kakao gezogen“ werden. Doch dieser Puppentrick- und Dokumentarfilm ist sogar für die transzendentale Betrachtung interessant.
Da greift, wie aus einer anderen Welt, die Hand des Regisseurs in diese Familiengeschichte aus Italien immer mal ein. Ein gelungener Auftakt, zweifellos, einmal in der Mischung von Animation- und Dokumentarfilm – für die DOK Leipzig immer steht. Auch hinsichtlich der filmischen und poetischen Umsetzung einer Familiengeschichte aus dem 20. Jahrhundert hat der Film mich und manch anderen Kritiker begeistert.
Und man kann es jetzt sagen: Das “Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, DOK Leipzig 17.10. – 23.10.2022“ war ein gutes Festival mit engagierten politischen wie auch existentiellen Filmen, die oft ein hohes handwerkliches Können ihrer Filmemacherinnen und Filmemacher zeigten.
Exemplarisch will ich da drei Filme aus dem deutschen und dem Wettbewerb um den Publikumspreis herausgreifen; auch weil diese Filme schon jetzt einen Kinostart haben und in nächster Zeit in Deutschland zu sehen sind.
Der für mich wichtigste Film beim Festival: KÖNIG HÖRT AUF (Preis Jury Leipziger Ring und Preis der Verdi-Jury). Es geht um einen nahezu prophetisch agierenden Jugendpfarrer aus Jena, für den selbst im Ruherstand noch lange nicht „Ruhe“ ist. (Kinostart: 17. November 2022). Gedreht wurde der Dokumentarfilm von seinem Sohn Tilmann König, der seinen Vater nicht nur als Linken sondern auch als verkündigenden Pfarrer ins Bild setzt und ebenso mit seiner alternativen und gewaltfreien Botschaft hat dieser Film überzeugt.
Und dann der Film REBELLINNEN-FOTOGRAFIE.UNTERGROUND.DDR. (Kinostart: 3. November 2022). Eine Recherche und Doku über drei Frauen in der ehemaligen DDR, die als Fotografinnen und Künstlerinnen für ihre Überzeugung sehr gelitten haben. Auch ist dieser Dokumentarfilm von Pamela Meyer-Arndt wegen seines Archivmaterials höchst interessant und beeindruckend. Zeigt dieser Film doch wie das Staatssystem DDR deutsche Kultur- und Kunstgeschichte behindert und teilweise sogar ausgelöscht hat. REBELLINNEN ist für mich ein Dokument, dass in der DDR schon lange nicht alles gut war und dass in diesem Staat Menschen viel opfern mussten, gerade um ihrer Überzeugung und Weltanschauung treu zu bleiben – exemplarisch im Film nun drei mutige, damals sehr junge Frauen: Gabriele Stötzer, Cornelia Schleime und Tina Bara.
Letztlich noch ein sehr aktueller internationaler Film: DAS HAMLET-SYNDROM (Kinostart: 19. Januar 2023) von Elwira Niewiera und Piotr Rosolowski. Ein Dokumentarfilm, der fast wie ein Spielfilm und höchst dramatisch daherkommt. Junge Schauspielerrinnen und Schauspieler aus der Ukraine spielen in einer aktualisierten Theater-Perfomance den Shakespeare-Klassiker „Hamlet“. Das geht unter die Haut und lässt sich an Dramatik wohl kaum noch überbieten. Auch künstlerisch erweist sich dieser Film in seiner Klarheit und Emotionalität als Meisterstück – mit ein bisschen zu viel Nationalismus für mich, aber das sei den Ukrainern in diesen Zeiten auch zugestanden.
Thomas Bohne