Ingeborg Bachmann – ein historisches Frauen-Porträt voller Ecken und Kanten

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist abermals ein Frauenporträt der deutschen Autor-Regisseurin Margarethe von Trotta (*1942). So mancher ihrer Frauen-Biopic-Filme sind mir noch gut in Erinnerung: „Die bleierne Zeit“ (1981, über die Ensslin-Schwestern), „Rosa Luxemburg“ (1986) oder „Visionen – aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ (2009).

Filmbild – Bachmann in der Wüste

Und nun Ingeborg Bachmann, eine der größten deutschen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts, mit nur 47 Jahren ist sie, leidend an Alkohol- und Tablettensucht, 1973 gestorben. Zerrissen zwischen Kunstanspruch, der Findung eines Liebes- und sexuellen Glücks und auch tiefster Lebenslust pendelt Ingeborg Bachmann durch ihre eigene Biografie.

In dieses Zerrissen-Sein fällt die Liebesbeziehung mit dem 15 Jahre älteren Max Frisch: erfüllend und zerstörerisch zugleich. Zu Beginn eine verstörende Szene: Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) geht durch einen halbdunklen, langen Flur zu einem klingelnden Telefon und nach dem Abnehmen des Telefonhörers ist dann ein nahezu diabolisches Lachen zu hören: Max Frisch (Roland Zehrfeld), den sieht man aber erst später im Film.

Die Beziehung der beiden ist das Hauptthema des Films, dazwischen – in Rückblenden geschnitten – die Beziehung zu dem Komponisten Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) und dem Schriftsteller Adolf Opel (Tobias Resch). Mit Opel unternimmt sie in den 60iger Jahren, zwei Jahren nach der Trennung von Max Frisch, eine Reise in die Wüste. Da war die Bachmann noch keine 40 und betrachtet ihr Leben als vielfach beendet oder nicht mehr weiterführbar.

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ erlebte bei der diesjährigen Berlinale am 19. Februar seine Uraufführung, lief dort im Wettbewerb (international Competition) – bekam allerdings keinen der zahlreichen Preise dieses größten internationalen Filmfestivals.

Vielleicht lag es auch daran, dass der Bachmann-Film zu komplex angelegt ist: Viele Handlungsorte (Kärnten, Wien, Rom, Zürich, Ägypten und die Wüste von Jordanien), viele personelle Beziehungen – viele, viele Gedanken und Textzitate.

Zweimal kommt im Film der Satz vor: „Sagt man nicht, es seien nicht immer die Mörder, sondern manchmal auch die Ermordeten schuldig?“ oder einmal das Zitat „Ich habe viel über den Faschismus nachgedacht, wo er anfängt. Er fängt an in den Beziehungen zwischen den Menschen. Der Faschismus ist das Erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. In dieser Gesellschaft ist immer Krieg.” – über beide Zitate ließe sich separat lange nachdenken und diskutieren.

Filmbild – Bachmann und Frisch

Beeindruckend an diesem großen Trotta-Film ist die Akribie, mit der die Film-Sets im Stil der 50iger und 60iger Jahre nachgestaltet wurden – da taucht man wirklich in diese historischen Welten im Nachkriegs-Europe so richtig ein.

Und dann sind es vor allem die schauspielerischen Leistungen von Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann und Roland Zehrfeld als Max Frisch, die den Film so sehenswert und hörenswert machen. Das ist vielleicht die eigentliche Stärke dieses Films, wie diese Beziehung der beiden dargestellt wird und ihr Zerbrechen schon fast zu Beginn deutlich wird, in kleinen Nuancen und Bemerkungen.

Ich empfehle „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ und vielleicht lesen Sie danach einmal ein wenig ihre Lyrik (Ingeborg Bachmann, Werke, München: Piper Verlag, 3. Auflage 2021), gerade darauf macht diese Bachmann-Verfilmung wirklich Lust.

Thomas Bohne

 

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Deutschland, Schweiz, Österreich, Luxemburg 2023
Regie: Margarethe von Trotta
Länge: 110 Minuten
Kinostart: 19. Oktober 2023