Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende entgegen; und auch diesmal konnten in der Musikwelt Jubiläen großer Künstler begangen werden. Stellvertretend sei der 200. Geburtstag von Anton Bruckner genannt, der am Beginn der Herbstsaison (im Leipziger Gewandhaus, wie auch anderswo) eine angemessene Würdigung erfuhr.
Ich möchte nun heute an drei Komponisten erinnern, die in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag hätten feiern können und leider immer noch ein Schattendasein führen: Arnold Schönberg (1874-1951), Gustav Holst (1874-1934) und Charles Ives (1874-1954).
Wenigstens dem Namen nach dürfte der Österreicher Arnold Schönberg vielen musikalisch Interessierten ein Begriff sein; denn er war es schließlich, der die Methode der „Zwölf-Ton-Reihen“ erfunden und damit eine neue, bis heute umstrittene Kompositionstechnik in die Wege geleitet hatte.
Bevor Schönberg jedoch zu dieser Art der Tondichtung griff, komponierte er im spätromantischen Stil, und diese Frühwerke sind es vor allem, die in den Konzerten aufgeführt werden (so das Melodram „Erwartung“, das Mitte November im Gewandhaus erklang).
Schwieriger dürfte es wohl mit dem Engländer Gustav Holst sein. Von ihm ist eigentlich nur ein Großwerk bekannt: die Orchestersuite „Die Planeten“. In expressionistischer Manier führt er in 7 Sätzen durch unser Sonnensystem (ausgenommen: die Erde). Wer diese gewaltige musikalische Reise kennenlernen möchte: Das Gewandhausorchester führt sie noch in diesem Jahr, am 18. und 19. Dezember, auf.
Ja, und der Amerikaner Charles Ives ist vermutlich nur Wenigen bekannt. Dieser geniale Künstler war von Beruf ein erfolgreicher Versicherungsunternehmer und nur nebenher Komponist. In bewußter Abkehr vom traditionellen Stil schuf er Werke, in denen sich unterschiedliche Melodienbögen (Choräle, Tänze, Märsche, Ragtimes) überlagerten und dadurch mitunter schrille Dissonanzen bildeten.
Diese Collagen erinnern in gewisser Weise an die Sinfonien Gustav Mahlers, besitzen aber durchaus starke Eigenheiten. Kein Wunder, daß Ives als Komponist in den USA zeit seines Lebens weitgehend ignoriert wurde. Erst nach seinem Tod setzte sich die Musikwelt mit seinen Werken auseinander.
Dennis Russell Davies hatte den Mut, mit seinem MDR-Sinfonieorchester (im Konzert anläßlich des Rundfunk-Jubiläums am 3. März) die 4. Sinfonie von Charles Ives aufzuführen. In dieser sogenannten „Universe Symphony“ verdichten sich die Themen so extrem, daß man (zumindest auf das erste Hören hin) keine Melodien mehr entdecken kann. Es ist ein Werk, das vielleicht dazu führen könnte, diesem Komponisten nie wieder begegnen zu wollen.
Aber Ives kann auch anders. Kürzlich hörte ich auf YouTube eine ausgezeichnete Interpretation der 2. Sinfonie von Charles Ives, mit den Berliner Philharmonikern unter Leitung des venezolanischen Ausnahme-Dirigenten Gustavo Dudamel. Dieses Video möchte ich abschließend sehr empfehlen. Es paßt gut in die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr.
Eberhard Thieme