„Majesty & Madness“: Zwei Kurzopern von Peter Maxwell Davies in Leipzig

Wegen des bevorstehenden Opernballs wurde das Parkett des Leipziger Opernhauses ausgeräumt. Was in diesem Raum am 21. September geschah, hatte allerdings nur wenig von einer Ballatmosphäre.

Im Parkett standen einfache Holzstühle, rings um eine riesige Hochzeitstafel. Den Zuschauer empfing Krähengeschrei bis zur Schmerzgrenze, dazwischen vereinzelt Kirchenglocken und Dudelsacktöne. Das alles in düsterem Licht. Auch wer des Englischen nicht mächtig war, wußte sofort, worum es bei der Doppeloper „Majesty & Madness“ geht: Um den totalen Wahnsinn. Der zeigte sich dann auch in den beiden Monologen: Zunächst in den Liedern des verrücktgewordenen englischen Königs Georg III., dann im Agieren der sitzengelassenen und darum sich betrinkenden Braut Miss Donnithorne. Sängerisch und darstellerisch zeigten die zwei Akteure (Franz Xaver Schlecht, Marie-Luise Dreßen) in diesen 75 Minuten eine erstaunliche Glanzleistung, was das Publikum im Anschluß auch kräftig honorierte. Dennoch blieb die Aufführung für mich gewöhnungsbedürftig.

 

Welche Botschaft steckte in jenem verrückten Mix aus Gesang und Geschrei? Vielleicht diese: Dort, wo sich Einsamkeit breitmacht, ist Verzweiflung und Wahnsinn nicht weit. Ein Spiegelbild der heutigen Single-Gesellschaft?

Überraschenderweise mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß der Komponist Peter Maxwell Davies (1934-2016) die beiden Opern bereits vor über 50 Jahren schrieb. 1969 bzw. 1974 wurden sie uraufgeführt. Also auch damals schon: Einsamkeit und Wahnsinn.

So gesehen, ist die Doppeloper ein steter Hilferuf nach Gemeinschaft. In der modernen Welt ist menschliches Miteinander nicht selbstverständlich. Gemeinsam müssen wir darum Sorge tragen, daß der Einzelne nicht in die Vereinsamung abrutscht.

Keine besinnliche Veranstaltung, wohl aber eine sehr nachdenkenswerte. Ich habe es nicht bereut, dabei gewesen zu sein.

 

Eberhard Thieme.