Schostakowitsch-Festival Leipzig – Kammerkonzert im Mendelssohn-Saal

Dmitri Schostakowitsch hat nicht nur 15 Sinfonien geschrieben, sondern auch 15 Streichquartette. Das belgische Ensemble „Quatuor Danel“ führte (mit 6 Konzerten) im Rahmen des großangelegten Schostakowitsch-Festivals sämtliche Werke für Streichquartett auf.

Das dritte Konzert fand am Sonnabend, 24. Mai, statt. Es war die einzige Veranstaltung des gesamten Festivals, welche bereits Wochen zuvor ausverkauft war. Der Grund läßt sich leicht vermuten: Das „Quatuor Danel“ spielte nach der Pause das legendäre 8. Streichquartett (c-moll op. 110).

Bild: Programmheft Kammerkonzert (außen)

Mit diesem Werk hat es folgende Bewandtnis: Im Juli 1960 weilte Schostakowitsch im Gästehaus des Ministerrates der DDR in Gohrisch, einem kleinen Ort in der Sächsischen Schweiz. Er sollte dort eine Filmmusik für ein propagandistisches Werk schreiben. Dazu war Schostakowitsch allerdings nicht in der Lage; denn er befand sich in einer Krise. Auf äußeren Druck hin war er der kommunistischen Partei beigetreten – ein Schritt, der ihn in depressive Zustände stürzte. Der Aufenthalt in der Sächsischen Schweiz half ihm, die Krise zu verarbeiten, indem er eines seiner persönlichsten Werke schrieb, eben jenes 8. Streichquartett.

In diesem etwa 20minütigen Werk kreist alles um seine musikalischen Initialen, die Töne D-Es-C-H, und gewinnt damit eine Tragik, die sich nur schwer beschreiben läßt. In einem Brief an seinen Freund Isaak Glikman schreibt Schostakowitsch dazu: „Wie sehr ich auch versucht habe, die Arbeiten für den Film im Entwurf auszuführen, bis jetzt konnte ich es nicht. Und stattdessen habe ich ein niemandem nützendes und ideologisch verwerfliches Quartett geschrieben. Ich dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist.“ Mithin hat Schostakowitsch dieses 8. Streichquartett als eine Art „Requiem für sich selbst“ geschrieben.

Bild: Quatuor Danel, Programmheft (innen)

Angesichts dieses eindrücklichen Werkes mußten die anderen beiden Streichquartette (Nr. 6 G-Dur op.101 (1957) und Nr. 11 f-Moll op. 122 (1965/66)) im Schatten stehen, obgleich auch sie sich durch Originalität auszeichnen.

Die Interpretation aller drei Werke durch das „Quatuor Danel“ war in jeder Hinsicht meisterhaft.

 

Eberhard Thieme