Wenn man jetzt zur Berlinale will, muss man sein Ticket elektronisch erwerben. Das heißt: www.berlinale.de eingeben und dann sich über Ticket und so weiter vorarbeiten.
Gut ist es dann auch, wenn ich das alles ausdrucken kann. Die Zeit des Anstellens an Kassen oder Anstellens nach Restkarten ist vorbei.
Das ist gut und auch schlecht, denn ohne iPhone bin ich jetzt bei der Berlinale verloren. Da bleibt dann nur, ankommende Gäste zu beobachten – auch nicht schlecht.
Das scheint der Berlinale gegenwärtig keinerlei Abbruch zu bescheren. Alle der von mir besuchten Vorstellungen waren knacke voll, ganz gleich ob zu früher oder später Stunde.
Dann ist auch noch die Zeit der durchweg deutschen Festivalfassungen vorbei.
Denn beispielsweise Filme unter der Rubrik „Berlinale Spezial“, Filme mit gesichertem Kinostart in Deutschland, liefen nur in englischer Fassung; auch die Serien-Filme, „Berlinale Series“. Das grenzt das Publikum auf Fach-Publikum und besonders interessiertes Publikum ein.
Was ist nun mein Eindruck von der Berlinale 2023?
Also, es gibt manch Neues, beispielsweise werden die Wiederholungen aus Wettbewerb und Berlinale Spezial nicht mehr im Friedrichstadt-Palast sondern in der neu gebauten Verti-Music-Hall am Mercedes-Platz (gegenüber Mercedes-Benz-Arena) gezeigt.
Das ganze Arial hat eher den Charme eines bunten Beton-Allerlei, ohne erkennbaren Stil und nicht einladend. Die einmal begonnene Ungemütlichkeit geht dann im Innenraum der Music-Hall weiter. Und weil man sich an Unfreundlichkeit einmal gewöhnt hat, wundert ein dann der unhöfliche Rausschmiss nach der Vorstellung gar nicht mehr – selbst mit einer weiteren Karte muss man raus, das heißt man kann dann in einem abgesteckten Bereich neben der Garderobe ohne Tisch und Stuhl „notparken, und die gerade erworbene Kaffeetasse lässt sich dann „leicht auf einer Garderobenfläche abstellen“ – alles sehr unerfreulich. Vorbei die Zeit im Friedrichstadt-Palast, wo man nach Vorzeigen seiner Folge-Karte gemütlich am Kaffee-Tisch sitzen blieb.
Wie sah es denn nun bei den Filmen aus?
Ich hatte die Gelegenheit einige Filme im Bereich „Berlinale Spezial“ und im Bereich „Wettbewerb“ zu sehen. Auffällig waren diesmal sehr viele Dokumentarfilme:
„Kiss the Future“ (über mutige Menschen vom Krieg verwüsteten Sarajevo und ein Konzert der Gruppe U2“, „Love to Love Yo, Donna Summer“ (ein berührendes Portrait der Disco-Ikone Donna Summer in der 70igern) und „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ (mit einem ins Mikrophon heulenden Boris Becker, kurz vor seinem Gefängnisaufenthalt).
Dann Spielfilme aus dem Wettbewerb:
„Disco Boy“ (ein Fremdenlegionär-Drama, das sich zum Antikriegsfilm wandelte), „Le grand chario“ (ein französischer Familienfilm über eine Puppenspieler-Dynastie. Kam zunächst sympathisch daher und wurde dann richtig ärgerlich als ein Familienmitglied das Kreuz vom Sarg der Oma abschraubte und noch auf dem Friedhof einfach wegschmiss, ohne inhaltlichen Zusammenhang – einfach so – aus meiner Sicht mehr als grenzwertig. Ich habe so eine Blasphemie im Kino schon lange nicht mehr gesehen!), „Roter Himmel“ (ein deutscher Film mit herausragenden Schauspielerleistungen und einer durch und durch überzeugenden Filmstory, angesiedelt im mecklenburgischen Wald unweit vom großen Meer, aus meiner Sicht der beste Berlinale-Film seit langer Zeit)
Schließlich konnte ich noch in der Kategorie „Berlinale Series“ zwei Teile der dänischen Serie „Agent“ sehen; sehr unterhaltsam und komisch – machte Lust auf mehr!
Ach so, im Bereich „Berlinale Spezial“ bekam ich noch den australischen Horrorfilm „Talk to me“ zu sehen, der war innovativ und spannend und dann noch mit einer Botschaft verbunden.
Ich blicke nun auf das Erlebte und Gesehene auf der Berlinale 2023 zurück, bin gespannt – was da so alles am Samstag (25.2.23) einen Preis bekommt, hoffentlich nicht der Puppenspielerfilm aus Frankreich.
Thomas Bohne CO