Bei jeder Berlinale kristallisieren sich Themen heraus. Stand da vor einigen Jahren das Thema „Frau“, ein anderes Jahr das Thema „Migration“ so jetzt vielleicht das Thema „Sterben“ in einem besonderen Focus der Berlinale 2024.
Zu diesem Thema gab es dann einen Film mit dem Titel „Sterben“, der da im „Wettbewerb“ in diesem Jahr lief und sogar den Drehbuchpreis gewonnen hat. Und dann gab es noch den Film „Ivo“ über eine Palliativ -Pflegerin, der wiederum lief bei der diesjährigen Berlinale im „Panorama“. Das sind nun zwei explizit zum Thema präsentierte Filme bei diesem größten Film-Festival der Welt in diesem Jahr.
Anlass nun für mich, beide Werke einmal zu vergleichen und eventuell auch einmal einem aktuellen gesellschaftlichen Diskurs in unserem Land zum Thema „Sterben“ etwas auf die Spur zu kommen.
Also, der Film „Sterben“ von Matthias Glasner hat inzwischen sogar den Deutschen Filmpreis (Goldene Lola) bekommen und wurde auch während der Berlinale mit einigen Filmpreisen bedacht.
Doch dieser „Preis-Regen“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem Film „Sterben“ um ein das Thema doch leider nur unzureichend erfassendes Film-Werk handelt. Zumal „Sterben“ auch durch seine Film-Länge von 182 Minuten (!) wie ein Monumentalfilm daherkommt. Da wurden Erinnerungen an den ähnlich langen US-amerikanischen Monumentalfilm „Oppenheimer“ (Oscar 2024) wach. Und es klaffen die Unterschiede hinsichtlich eines monumentalen Werkes noch eklatanter auseinander.
„Sterben“ hat großartige Einzelszenen – herausragend dabei eine Mutter-Sohn-Gespräch (Corrinna Harfouch und Lars Eidinger). Zurecht hat Corrina Harfouch dafür auch die Goldene Lola für die beste Leistung als Schauspielerin in diesem Jahr bekommen. Aber dann gibt’s Szenen, die komödiantisch daher kommen – wie die Zahnarztszenen mit Roland Zehrfeld und Lilith Stangenberger – aber nicht komödiantisch und einfach „daneben“ sind. Sicherlich, der Film von Glasner „dokumentiert“ auch ein Stück die aktuelle Ohnmacht in unserer Gesellschaft bei diesem Thema und zeigt auch den aktuellen gesellschaftlichen Wunsch jeden – auch wenn es nur der kleinste ist – Transzendenz-Gedanke, Gedanken an Gott, auszublenden.
Das macht nun der zweite Berlinale-Film „Ivo“ zum Sterbe-Thema gar nicht. Schon am Beginn des Filmes ist ein Kreuz „im Blick“. Später sitzt die Hauptfigur Ivo mit einer jungen Frau in einer Kirche und weist diese zumindest darauf hin, dass beim Thema Sterben der Gedanke an Gott oder Göttliches nicht „ganz abwegig“ ist.
„Ivo“ ist aus meiner Sicht auch deshalb der bessere Film zur Thematik, weil er nahezu komplett ein Berufs-Problem-Feld bei einem Sterbe-Beruf zeigt. Und: Diese Frau „Ivo“ kommt mir nahe, berührt mich – ich fühle mit ihr als Zuschauender mit. Beim Film „Sterben“ fällt mir bezüglich dieser Intensität keine Figur ein.
Dennoch sollte man sich beide Filme ansehen und eine eigene Meinung bilden.
Es geht ja um ein Thema, das in unserer Gesellschaft nicht erst durch die Frage des „aktiven oder begleiteten Suizid“ immer wieder aktuell ist.
Thomas Bohne
Mitglied der Katholischen Filmkommission
Sterben, Deutschland 2024
Regie: Matthias Glasner
Mit: Lars Eidinger, Lilith Stangenberg, Ronald Zehrfeld, Robert Gwisdek
Länge: 182 Minuten
Kinostart: 25. April 2024
Ivo, Deutschland 2024
Regie: Eva Trobisch
Länge: 104 Minuten
Mit: Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur, Pierre Siegenthaler,
Kinostart: 20. Juni 2024